Executive Summary / Main take aways
- Das Klimasystem ist ein komplexes, nichtlineares System, das bereits auf relativ kleine Änderungen in der Energiebilanz empfindlich reagiert.
- Treibhausgase können sich stabilisierend auf das Klima auswirken; steigen diese aber abrupt, wie derzeit aufgrund anthropogener Emissionen, ist global u.a. mit extremem Temperaturanstieg, dem Verlust von Gletschern und Permafrost, einer Erhöhung des Meeresspiegels und vermehrten Extremwetterereignissen zu rechnen.
- Um Kipppunkte möglichst zu vermeiden, müssen die globalen CO2-Emissionen deutlich und rasch sinken, und die Erderwärmung mindestens auf 1.5°C (im Vergleich zur vorindustriellen Zeit) begrenzt werden.
Klimawandel als entfernte theoretische Möglichkeit?
Gesellschaftlich wird der globale Klimawandel zumindest teilweise immer noch als eine theoretische Möglichkeit verstanden, über dessen Existenz und Ausmass wiederkehrend spekuliert wird. Skeptiker*innen werden auf die Arbeiten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, Weltklimarat) verwiesen. Der IPCC wurde im Rahmen der Vereinten Nationen geschaffen, um objektive wissenschaftliche Grundlagen zur Klimaerwärmung sowie deren politischen und ökonomischen Auswirkungen bereitzustellen. Der IPCC ist zugleich zwischenstaatlicher Ausschuss mit 195 Mitgliedstaaten und wissenschaftliches Gremium. Die Berichte des IPCC fassen auf tausenden Seiten den aktuellen Stand der Klimaforschung zusammen und bewerten diesen. Diesen Berichten, insbesondere den Sachstandsberichten (Assessment Reports), müssen alle Mitgliedsstaaten des IPCC zustimmen, weshalb ihnen global-politisch besonderes Gewicht zukommt. Für Laien, Politiker*innen sowie andere Entscheidungsträger*innen mit limitierten Ressourcen aber bleibt deren Sprache tendenziell unzugänglich, deren Berechnungen schwer nachvollziehbar und deren Verlässlichkeit entsprechend kaum einschätzbar. Aus diesem Grund enthalten die Assessment Reports jeweils Zusammenfassungen für Entscheidungsträger*innen (Summary for policymakers). Die Arbeit der IPCC und insbesondere die Zusammenfassungen für Entscheidungsträger*innen tragen dazu bei, ein gemeinsames Verständnis von Schlüsselbegriffen wie Klima, Klimawandel und deren wichtigsten Herausforderungen auf Ebene Umwelt, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft zu etablieren.
Das Klima und wie es beeinflusst wird
«Klima» bezeichnet den Durchschnitt dynamischer Prozesse in der Erdatmosphäre, einschliesslich der Hydrosphäre (Wasser), Kryosphäre (Eis und Gletscher), Lithosphäre (Böden) und Biosphäre (Lebewesen)). Das Klima bezieht sich auf kleinräumige Örtlichkeiten (sog. Mesoklima) und weitere, meist kontinentale Dimensionen (sog. Makroklima). Die Gesetzmässigkeiten des Klimas werden durch die Klimatologie mit Bezügen zur Physik, Meteorologie, Geologie, Ozeanographie und Geographie ermittelt. Im Kern bemisst sich das Klima der Erde anhand der atmosphärischen Energie: Die von der Erde ins All abgestrahlte Wärmestrahlung muss die absorbierte Sonnenstrahlung im Mittel ausgleichen. Klimatische Veränderungen treten in drei Fällen auf: wenn die ankommende Sonneinstrahlung variiert, wenn die Strahlung ins All sich ändert oder wenn die abgehende Wärmestrahlung durch den Gehalt der Atmosphäre an absorbierenden Gasen (d.h. Treibhausgase «THGs»)[1] und Aerosolen (d.h. Partikeln in der Luft) beeinflusst wird.[2]
Ursachen des Klimawandels
Wäre die Sonnenstrahlung allein für klimatische Veränderungen massgeblich, so liesse sich nicht erklären, warum sich die Temperaturen in der frühen Erdgeschichte während der ersten drei Millionen Jahre trotz schwacher Sonne (25-30% schwächer als heute) im globalen Durchschnitt über 50°C bewegten (auch bekannt als «faint young sun paradox»). Ausschlaggebend dafür war eine erheblich erhöhte Konzentration von Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4). Ohne THGs würden wir auf eine lebensfeindliche bodennahe Luftschicht von -18°C stossen. CO2 ist also Teil einer Rückkoppelungsschleife, die natürlicherweise im Rhythmus der Vereisungen pendelt, und damit elementarer Bestandteil des globalen Regelungsmechanismus für ein stabiles Klima.
Steigt aber der THG-Gehalt abrupt, wie dies zur mittleren Kreidezeit vor 140 bis 65 Millionen Jahre geschah, so kann es zu einem Temperaturanstieg von bis zu 12°C kommen. Folgt man der Klimageschichte weit in vergangene geologische Zeiträume zurück, so zeigt sich, dass unser Planet historisch spektakulären klimatischen Veränderungen unterlag. Ist die heute gemessene CO2-Konzentration von 412,45 ppm (parts per million, also ca. 0,0412%), der im Vergleich zu einem vorindustriellen Wert von 280 ppm steht, also Teil eines normalen Verlaufs natürlicher Klimazyklen?
Quelle: Rahmstorf & Schellnhuber 2019.
Der Klimawandel im Anthropozän
Wie die obige Grafik über den Verlauf der CO2– Konzentration der Atmosphären der letzten 600 Jahrmillionen aufzeigt, lag diese regelmässig über 1000 ppm. Leidglich in zwei Phasen bestand ein gemässigter CO2-Gehalt: erstmals etwa 300 Jahrmillionen vor heute und das zweite Mal in der jüngeren Klimageschichte der vergangenen Millionen Jahre – inklusive dem Holozän, der Warmzeit, in der wir seit rund 10’000 Jahren leben und welche dazu beigetragen hat, dass sich die Gesellschaft, wie wir sie heute kennen, entwickeln konnte.[3] Würde die heute gemessene CO2-Konzentration allein aufgrund natürlicher Zyklen ansteigen, dann müssten wir auch in diesem Fall aufgrund der extremen Erderwärmung Vorkehrungen für ein Überleben der Menschheit treffen. Dies ist aber nicht der Fall, denn Forscher*innen gehen davon aus, dass unsere gemässigte Warmzeit noch mehrere Jahrhunderte anhalten würde.
Das Temperaturmaximum, wie es nach der Kreidezeit an der Grenze vom Paläozän zum Eozän vorkam, ist heute nachweislich auf die Freisetzung einer immensen Menge Kohlenstoff zurückzuführen – vermutlich aufgrund vulkanischer Aktivität. Eine ähnlich abrupte Entwicklung steht uns heute bevor. Der derzeitige Wert von 412,45 ppm, der ganze 33% über den höchsten Werten der vergangenen 800’000 Jahre liegt, ist aber nicht Teil eines natürlichen Klimazyklus, sondern gemäss dem neusten sechsten Bericht des IPCC zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels (2021) eindeutig die Folge menschlicher Aktivitäten, wie etwa der Verbrennung fossiler Brennstoffe, Entwaldung, Landnutzungsänderungen, Viehproduktion, Düngung, Abfallbewirtschaftung und industrieller Prozesse. Die grössten Quellen der weltweiten THG-Emissionen sind gemäss IPCC der Energiesektor (35%, insbesondere in einkommensstarken Ländern) sowie die Land- und Forstwirtschaft und andere Landnutzungen (24%, insbesondere in einkommensschwachen Ländern). Die Sektoren Industrie, Transport und Gebäude tragen jeweils 21%, 14% und 6% bei. Wir sind also Zeugen einer in der Geschichte der Erde erstmaligen anthropogenen Klimaerwärmung – dies in einer neuen geochronologischen Epoche des «Anthropozän.»[4]
Vorsichtige Projektionen für die Zukunft
Die Auswirkungen des Klimawandels sind vielschichtig, komplex und regional unterschiedlich. Steigt die globale Mitteltemperatur in Bodennähe, so tauen beispielsweise Gletscher, Eisschilde verlieren an Masse, die Ozeane erwärmen sich, der mittlere Meeresspiegel steigt (bis 2100 um bis zu 1.01 Meter wenn wie bisher THGs ausgestossen werden) und die Meere versauern. Darauf folgen Temperaturextreme mit vermehrten und längeren Hitzeperioden, häufigere Starkniederschläge mit hohen Überschwemmungsrisiken und es steigt die Gefahr von abrupten, unumkehrbaren Klimaänderungen mit sehr hohem Risiko (sogenannte «Kipp-Punkte»).
Photo credit: Unsplash / Annie Spratt.
Fortgesetzte THG-Emissionen führen zu einer weiteren Erwärmung und verursachen langanhaltende Veränderungen im Klimasystem, was die Wahrscheinlichkeit schwerwiegender, weitverbreiteter und irreversibler Folgen für Menschen und Ökosysteme erhöht. Bei einem Business-as-usual-Szenario, auf das wir derzeit zusteuern, ist davon auszugehen, dass die CO2-Konzentration sich um 1370 ppm bewegen und die globale Mitteltemperatur gegenüber vorindustriellen Bedingungen um bis zu 5.4°C zunehmen wird. Davon ist selbst unter Einhaltung der bestehenden Klimaschutzzusagen unter dem Übereinkommen von Paris auszugehen, wie der 2018 Sonderbericht «1,5 °C Globale Erwärmung» des IPCC aufzeigt. Das für die Menschheit sicherste realisierbare Szenario basiert auf einer Limitierung des Anstiegs der Erderwärmung auf maximal 1,5°C und eines CO₂-Gehalts in der Luft von 421 ppm bis 2100 – aber auch in diesem Fall ist mit signifikanten Anpassungen und Einschnitten zu rechnen. Um eine Erwärmung um mehr als 1,5°C zu vermeiden, so das IPCC, ist eine «dringende und fundamentale Abkehr vom Business-as-usual» notwendig, d.h. die globalen CO2-Emissionen müssen deutlich vor 2030 radikal zu sinken beginnen.
Verwendete Literatur und Links:
[1] CO2 ist nicht das einzige Treibhausgas. Wasserdampf (H2O), Kohlendioxid (CO2), Distickstoffoxid (N2O), Methan (CH4) und Ozon (O3) sind die wichtigsten Treibhausgase in der Erdatmosphäre. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von ausschließlich vom Menschen verursachten Treibhausgasen in der Atmosphäre, wie z.B. die Halogenkohlenwasserstoffe und andere chlor- und bromhaltige Substanzen, die im Rahmen des Montrealer Protokolls behandelt werden (etwa Schwefelhexafluorid (SF6), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (HFCs) und perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFCs)).
[2] Rahmstorf & Schellnhuber 2019, 13.
[3] Mayewski, P. A. et al. Holocene climate variability. Quat. Res. 62, 243–255 (2004).
[4] Der Anthropozän bezeichnet das Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist.