Zurück

Finanzmärkte & Klimawandel


Die internationalen FInanzmärkte haben erheblichen EInfluss auf den globalen Austoss von Treibhausgasen. Diesem Aspekt wurde lange Zeit kaum Beachtung geschenkt. Langsam aber sicher wird der Klimawandel ein wichtiger Aspekt neuer Regulierungen im FInanzmarktbereich, zumal die finanziellen Risiken des Klimawandels zunehmend erkannt werden.

Der Klimawandel und die Rolle des Finanzsektors

Der Klimawandel kann aus ökonomischer Sicht als Marktversagen begriffen werden. Durch Treibhausgasemissionen verursachte Kosten werden grundsätzlich nicht dem Verursacher zugeordnet und werden somit vom Markt nicht eingepreist (sog. Externalität). Zur Internalisierung dieser Kosten bestehen mehrere rechtliche Instrumente, so insbesondere CO2-Abgaben, der Handel mit Emissionszertifikaten sowie – weniger bekannt – das Haftungsrecht. Diese Massnahmen haben aber bisher nicht genügt, um spürbare Emissionsreduktionen zu erreichen – vielmehr steigen die weltweiten Treibhausgasemissionen weiter an.

Der Finanzmarkt spielt eine wichtige Rolle im Kontext des Klimawandels. Banken, Versicherer, Pensionskassen und Vermögensverwalter bestimmen massgeblich, in welche Richtung die globalen Finanzströme fliessen. Heute ist der Finanzsektor weiterhin stark in fossile Energieträger und andere treibhausgasintensive Praktiken investiert, was den Übergang zu einer treibhausgas-armen Wirtschaft hemmt. Gemäss einer Studie im Auftrag des Bundesamts für Umwelt (BAFU) bindet allein der Schweizer Aktienfondsmarkt (der mit rund 5% wiederum nur einen Bruchteil der in der Schweiz getätigten Investitionen darstellt) mit seinen Kapitalanlagen in etwa gleich viele Emissionen wie die Schweiz als Land jährlich durch direkte Emissionen (v.a. Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft) ausstösst.

Das Pariser Übereinkommen erkennt diese Problematik. Entsprechend ist es neben dem Temperaturziel und der Anpassung an den Klimawandel das dritte Ziel des Übereinkommens, die Finanzflüsse in Einklang zu bringen mit einer Entwicklung hin zu einer emissionsärmeren Wirtschaft (Art. 2 Abs. 1 lit. c Pariser Übereinkommen).

 

[photo credit: Charles Forerunner on unsplash]

 

Tendenz in Richtung grünere Finanzen?

Seit kürzerer Zeit mehren sich die Indizien, dass sich der Finanzmarkt langsam in Richtung «grünere» Bahnen bewegen könnte:

  1. Finanzielle Klimarisiken: Zahlreiche wichtige Finanzmarktinstitutionen auf internationaler und nationaler Ebene warnen heute vor den finanziellen Risiken, welche der Klimawandel für Unternehmen und Investoren mit sich bringt. Ökonomen weisen darauf hin, dass diese Risiken heute nicht adäquat in Bewertungen von Vermögenswerten eingepreist werden, wodurch sogenannte «Kohlenstoffblasen» entstehen. Bei deren Platzen drohten massive und plötzliche Wertverluste («stranded assets»), was durch einen schrittweisen Ausstieg aus fossilen Energieträgern verhindert werden soll. Die Risiken sind derart gravierend, dass der Klimawandel als Risiko für die Finanzmarktmarktstabilität gesehen wird. Entsprechend untersuchen Zentralbanken und Finanzmarktaufsichtsbehörden Klimarisiken genau. Auch die Schweizer Finanzmarktaufsicht (FINMA) hat diesbezüglich inzwischen Schritte angekündigt. . Gleichzeitig wird oft auch auf erhebliche (finanzielle) Chancen für Unternehmen hingewiesen, zumal die «grüne» Transition massive Investitionen in Infrastruktur und Technologie erfordert. Dies wird als weiterer Anreiz für den Privatsektor gesehen, möglichst zeitnah in «klimafreundlichere» Praktiken zu investieren.

 

  1. Marktentwicklungen: Dies kann etwa zur Folge haben, dass Investitionen in treibhausgasintensive Sektoren (z.B. Kohle) zunehmend gemieden bzw. schrittweise reduziert werden (sog. «Divestment»). Auch private Anleger fragen vermehrt nach «klimafreundlichen» Anlageprodukten.

 

  1. Aktive Aktionäre und Klima-Prozessführung: Gruppierungen aktiver Aktionäre, die oft aus Ansammlungen grosser Investoren wie Pensionskassen und Vermögensverwalter bestehen (z.B. Climate Action 100+ oder die Net-Zero Asset Owner Alliance), setzen sich für die verstärkte Berücksichtigung von Klimarisiken ein. Sodann werden, bisher v.a. in den USA und Australien (zunehmend aber auch in Europa) Prozesse v.a. im Energie- und Rohstoffsektor geführt. In diesen werfen Kläger (typischerweise Aktionäre) den beklagten Unternehmen und deren Leitorganen mangelnde Sorgfalt sowie Transparenz betreffen Klimarisiken vor.

 

  1. Regulierung: Im Finanzmarktbereich baut die Schweiz weitgehend auf Freiwilligkeit der Marktteilnehmer. Regulatorische Eingriffe werden aber vorbehalten, sollten freiwillige Bemühungen zum Klimaschutz nicht genügend Wirksamkeit zeigen. International ist insbesondere die EU aktiv in Sachen Berücksichtigung von Klimarisiken in der Finanzmarktregulierung. Dies hauptsächlich im Rahmen des 2018 von der Europäischen Kommission ausgerufenen Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Dabei wurden unter anderem ein einheitliches EU-Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Tätigkeiten entwickelt («Taxonomie») und sollen u.a. die Pflichten institutioneller Anleger und Vermögensverwalter geklärt werden. Diese komplexen Regulierungsprojekte werden sich früher oder später auch auf den Schweizer Markt auswirken. Zudem werden internationale best practices und Empfehlungen entwickelt, welche Unternehmen konkrete Massnahmen zur Berücksichtigung von Klimarisken und –chancen aufzeigen. Zu nennen ist hier insbesondere die Arbeit der von der G20 ins Leben gerufenen Task Force for Climate-related Financial Disclosures (TCFD).

Ausblick

Dem Klimawandel und anderen Umweltrisiken wurde in der Vergangenheit im Finanzmarkt kaum Beachtung geschenkt. Angesichts der immer deutlicher werdenden Auswirkungen des Klimawandels und dessen finanziellen Risiken hat sich diese Einschätzung in jüngster Vergangenheit geändert. Zentrale Akteure sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor treiben diese Entwicklung voran. Die Schweiz steht wie andere Länder auf der Schwelle hin zu gewissen verbindlichen Klimaregulierungen im Finanzmarkt. Kritisch zu hinterfragen bleibt, ob die angedachten Massnahmen zielführend und genügend wirksam sind.

Weiterführend

  • Rolf H. Weber/Andreas Hösli, Der Klimawandel und die Finanzmärkte, GesKR 4/2019, 574 ff.
  • Rolf H. Weber/Andreas Hösli, Corporate Climate Responsibility – aktienrechtliche Haftungsrisiken für den Verwaltungsrat? SJZ/RSJ 116 (2020) Nr. 18, 605 ff.
  • Andreas Hösli, Heating up the Boardroom – Klimawandel und der VR, Recht.relevant für Verwaltungsräte, 5/2020, 5 ff.
  • Rolf H. Weber/Andreas Hösli, Climate Change Liability: Comparing Risks for Directors in Jurisdictions of the Common and Civil Law, Climate Law 10 (2020) 151

Mehr